
In den USA hat sich zu Beginn des Jahres einiges ereignet. Gespannt haben Milliarden von Menschen die Wahlprognosen, die Amtseinführung Joe Bidens, aber auch den Sturm auf das Kapitol mitverfolgt.
Eine „waschechte“ amerikanische Freundin von mir lebt nun bereits seit ein paar Jahren wieder in Kalifornien, nachdem sie einige Jahre in Heidelberg gelebt hat.
Da sie im Moment die Wahlen, den Sturm auf das Kapitol und die dortige Situation bezüglich Corona hautnah miterlebt, habe ich sie bei einem unserer Videochats etwas ausgefragt.
Interessiert hat mich, wie sie und ihre Familie die ganzen Ereignisse wahrgenommen haben und was sie von der jetzigen Situation hält – aber lest am besten selbst:
Holtzhelm-Reporterin:
Wie geht’s?
Zu meiner ersten Frage: Bei euch wurde ja kürzlich ein neuer Präsident gewählt – Joe Biden. Wie hast du den Wahlprozess wahrgenommen?
Freundin aus Kalifornien:
Mir geht’s gut, ich hoffe, dir auch.
Natürlich war die Wahl ein sehr großes Thema für uns, weil die USA ja gewissermaßen ein „split country“ sind, ein politisch gespaltenes Land. Da war es natürlich spannend, welche der beiden Parteien welche Staaten für sich gewinnen würde.
Es war aber nicht wirklich eine angespannte Stimmung, alle waren eher gespannt auf das Ergebnis.
Holtzhelm-Reporterin:
Hast du innerhalb der Familie und mit deinen Freunden über die Wahl gesprochen?
Freundin aus Kalifornien:
In der Familie haben wir viel über die Wahlen gesprochen, wir haben da innerhalb unserer Familie auch ähnliche Ansichten.
Generell ist es nämlich so, dass Kaliforniern größtenteils demokratisch geprägt ist. Trotzdem kann es natürlich vorkommen, dass auch hier jemand die Republikaner, also Trump, unterstützt. Ich persönlich kenne da auch nur einen Mitschüler, der ein sogenannter „Trump supporter“ ist, das hätte ich aber vorher auch nicht von ihm gedacht. Sonst sind meine Freunde alle für die Demokraten gewesen.
Ein Tipp: Wenn man sich mit jemandem über Politik unterhält, muss man aufpassen, was man sagt, wenn man nicht weiß, was der andere über unsere Politik denkt. Sonst kann das auch leicht in einem Streit enden. Deswegen redet man hier eigentlich immer nur mit jenen Menschen über Politik, die gleiche politische Ansichten haben.
Holtzhelm-Reporterin:
Bist du auch wählen gegangen?
Freundin aus Kalifornien:
Ich habe ja schon erwähnt, dass das Thema für uns sehr wichtig war, deswegen haben alle aus meiner Familie, die schon wählen durften, auch gewählt und auch andere davon überzeugt, wählen zu gehen.
Da wir auch etwas Angst davor hatten, dass Trump gewinnen könnte, hat meine Familie durch Spenden die „Biden Foundation“ unterstützt.
Holtzhelm-Reporterin:
Das heißt, dass du mit dem Ergebnis der Wahlen wahrscheinlich zufrieden bist, bzw. was denkst du über das Ergebnis?
Freundin aus Kalifornien:
Ich bin sehr froh darüber, dass die Demokraten mehr Stimmen als die Republikaner bekommen haben.
Während des Online-Unterrichts habe ich auch laufend die Auszählung der Stimmen in den einzelnen Bundesstaaten verfolgt.
Nachdem man dann abschätzen konnte, dass Biden die Wahl für sich entscheiden konnte, wurden die Stimmen der Trump-Anhänger immer leiser, man hat nicht viel von ihnen gehört. Es war wie ein Aufatmen im gesamten Land!
Trotzdem habe ich auch etwas Angst, weil so viele für Trump „gevoted“ haben, die Punkte waren ja schon recht nah beieinander. Da wird einem nochmal klar, wie viele Menschen in den USA leben, die Trump unterstützen.
Erleichtert bin ich aber natürlich, dass zumindest in Kalifornien wieder viele die Demokraten gewählt haben. Gerade in der Gegend, wo ich wohne, sind die Leute sehr demokratisch.
Holtzhelm-Reporterin:
Das freut mich natürlich, zu hören.
Oft ist es so, dass die neu gewählten Präsidenten sozusagen gegen die Bestrebungen des vorherigen Präsidenten regieren.
Ausgehend von Biden als neuem Präsidenten: Wird sich die Politik nun ändern? Was wird Biden anders machen? Was erhoffst du dir vielleicht von der Präsidentschaft Bidens?
Freundin aus Kalifornien:
Es wäre natürlich schön, wenn die aktuellen Probleme, die wir haben, gelöst werden könnten. Da wären der Klimawandel, unser Gesundheitssystem, aber auch unsere hohe Arbeitslosenquote zu nennen.
Joe Biden wird die Frauenrechte fördern und auch die Umwelt schützen, das war bei Trump ja nicht der Fall.
Biden wird aber, denke ich, auch viel für unser Gesundheitssystem tun; das ist nämlich noch nicht so, wie es sein sollte. Viele Amerikaner können sich Medikamente oder Behandlungen nicht leisten, weil alles viel zu teuer ist.
Und noch etwas: Für Biden spielt die Gleichberechtigung ebenfalls eine große Rolle.
Was das angeht, hat er auch schon viel bewegt. Kamala Harris ist ja beispielsweise nun auch unsere Vize-Präsidentin – und das ist nur der Anfang.
Holtzhelm-Reporterin
Ich habe noch eine Frage zu dem Wahlsystem in den USA. Euer Wahlsystem unterscheidet sich ja z.B. durch die Wahlmänner von unserem.
Findest du euer Wahlsystem gut oder würdest du es gerne ändern wollen?
Freundin aus Kalifornien:
Unser Wahlsystem ist schon sehr alt und es gewinnt nicht unbedingt die Mehrheit.
Hillary Clinton zum Beispiel hat in der Wahl vor vier Jahren die meisten Stimmen, aber nicht die meisten Staaten gewonnen und wurde deshalb nicht Präsidentin.
Der eigentliche Gewinner ist also nicht unbedingt der Gewinner der Wahl.
Es wäre deshalb gerechter, wenn unser Wahlsystem so wie in Deutschland wäre. Unser Wahlsystem würde aber auch nicht so schnell geändert werden können, selbst wenn Biden das durchsetzen wollte.
Holtzhelm-Reporterin:
Danke für deine Einschätzung!
Bleiben wir noch ein wenig in der Politik. Zu Beginn des Jahres wurde ja das Kapitol von Republikanern gestürmt, die von Trump über Twitter dazu angestiftet wurden, das haben wir auch hier in Deutschland mitbekommen.
Wie schätzt du dieses Ereignis ein?
Freundin aus Kalifornien:
Das, was am 6. Januar 2021 passiert ist, ist noch nie vorgekommen.
Die Trump-Anhänger sind dem Ruf von Trump einfach blind gefolgt, sehen sich aber als „proud boys“. Es ist schwierig zu sagen, ob es noch einmal dazu kommen könnte, wobei Trumps Account ja erstmal von Twitter gesperrt wurde.
Falls Trump noch einmal zu etwas Ähnlichem aufrufen sollte, könnte es aber schon sein, dass ihm seine Anhänger noch einmal folgen, ohne darüber nachzudenken, denn die Trump-Anhänger werden seine Anhänger bleiben, da wird sich wenig dran ändern.
Holtzhelm-Reporterin:
Denkst du denn, dass Trump noch einmal Präsident werden könnte?
Freundin aus Kalifornien:
Man kann das Wahlergebnis natürlich nie 100-prozentig vorhersagen, aber seit der Präsidentschaft Trumps denken immer mehr Amerikaner, dass es sehr einfach ist, Präsident zu werden. Das heißt, dass man nicht ausschließen kann, dass es in Zukunft noch mehr „Trumps“ geben wird – vielleicht war Trump auch nur der Anfang…
Ich würde aber schon sagen, dass die Wahlen in Zukunft angespannter sein könnten, da Trump bekannterweise durchaus auch etwas radikaler vorgehen kann, sollte er sich noch einmal aufstellen lassen.
Amerika ist und bleibt aufgrund des Zwei-Parteien-Systems einfach politisch zweigeteilt. Natürlich wäre es schön, wenn sich die USA in diesem Punkt etwas vereinen würden, aber das ist höchst unwahrscheinlich.
Außerdem wird es immer Leute geben, die Menschen wie Trump unterstützen, das ist leider auch nicht auszuschließen.
Holtzhelm-Reporterin:
Hoffen wir mal das Beste. Nun zu einem ganz anderen Thema, das uns im Moment ebenfalls sehr beschäftigt.
Die USA wurden zwischenzeitlich sehr hart von der Corona-Pandemie getroffen.
Hältst du als amerikanische Bürgerin die im Moment geltenden Corona-Maßnahmen in den USA für sinnvoll? Gehen sie zu weit oder nicht weit genug?
Freundin aus Kalifornien:
Meine Familie hält eigentlich immer viel Abstand und wir halten uns auch an die Regeln, wir nehmen die Situation sehr ernst.
Allerdings gibt es viele Amerikaner, die sich in keinster Weise an die Vorgaben halten: Es gehört also leider fast zur Tagesordnung, dass die Maskenpflicht missachtet wird oder Partys gefeiert werden. Die Amerikaner sind sehr stolz, sie leben ja in einem „free country“. Außerdem sind die meisten leider recht egoistisch und denken nicht unbedingt an das Wohl der anderen.
Außerdem kontrolliert die Polizei nicht so, wie es eigentlich angemessen wäre.
Die Maßnahmen sollten deshalb einerseits strenger werden, andererseits müsste es aber auch mehr Strafen für diejenigen geben, die sich nicht an die Einschränkungen halten.
Holtzhelm-Reporterin:
Das wären sinnvolle Maßnahmen, da hast du Recht.
Dazu eine ganz wichtige Frage: Haben bei euch die Restaurants geöffnet?
Freundin aus Kalifornien:
Man darf nicht im Restaurant selbst essen, aber draußen ist das erlaubt.
Ansonsten kann man das Essen auch ganz einfach mitnehmen und es darf immer nur eine Person in den Laden, das ist dann recht sicher.
Holtzhelm-Reporterin:
Eine letzte Frage: Wir lernen im Moment alle von zu Hause aus. Da läuft es bei manchen gut, bei manchen eher weniger prickelnd.
Wie sieht das bei euch aus? Klappt der Fernunterricht?
Freundin aus Kalifornien:
Bei uns funktioniert das homeschooling sehr gut.
Manche Familien haben nicht so viele technische Hilfsmittel wie Computer oder einen guten Internet-Zugang.
Für diese Familien stellt die Schule dann Laptops und sogenannte „Wifi-Stations“ zur Verfügung, sodass die Schüler ebenfalls am Unterricht teilnehmen können.
Außerdem haben unsere Lehrer die Stundenpläne für das homeschooling geändert. Normalerweise ist es so, dass wir an jedem Tag immer alle Fächer haben und unser Schulalltag jeden Tag exakt gleich ist.
Jetzt haben wir längere Einheiten in den einzelnen Fächern, sodass man intensiver lernen kann.
Mittwochs ist außerdem unser „Mental Health Day“, an dem wir überhaupt keinen Online-Unterricht haben. Er dient unserer mentalen Gesundheit und der Nacharbeitung der einzelnen Unterrichtseinheiten.
Holtzhelm-Reporterin:
Und wie sieht es mit den Hausaufgaben aus? Bekommt ihr viele Aufgaben und denkst du, dass ihr genauso viel lernt wie im Präsenzunterricht?
Freundin aus Kalifornien:
Wir haben weniger Hausaufgaben als sonst, die Lehrer passen ihren Unterricht auch immer an die Situation an.
Allerdings habe ich in der Hinsicht das Gefühl, weniger zu lernen als normalerweise.
Holtzhelm-Reporterin:
Verstehe. Mir persönlich fehlt der soziale Kontakt im Moment sehr.
Hast du die Möglichkeit, deine Freunde außerhalb der Videokonferenzen zu sehen?
Freundin aus Kalifornien:
Insgesamt geht es den amerikanischen Schülern wohl ähnlich wie euch.
Neulich hat ein Mädchen aus meiner Schule eine Mail an die Schulleitung geschrieben, in der sie ihren Unmut über die in diesem Jahr ausfallende Prom (gewissermaßen ein Abschlussball) ausgedrückt hat.
Es ist natürlich klar, dass die Schulleitung da nicht wirklich etwas ändern kann, das ist Corona geschuldet. Trotzdem kann ich das Mädchen verstehen, auch wenn ich persönlich eher introvertiert bin.
Mir fällt es deshalb nicht ganz so schwer, auf viele Kontakte zu verzichten wie extrovertierten Schülern.
Immerhin gibt es die Möglichkeit, seine Freunde virtuell zu sehen, das ist aber auch der größte Austausch, den ich momentan mit meinen Freunden haben kann.
Das ist natürlich schade, aber auch lustig, weil es vielen so geht wie mir: Mit der Zeit verliert man dann doch an sozialen Kompetenzen (*lacht*).
Insgesamt ist es also für mich nicht allzu schlimm, nur der Sport fehlt mir.
Ich kann gerade nämlich auch nicht in die Sporthallen. Ich habe es mit einigen Workouts zu Hause probiert, das hat allerdings eher mäßig geklappt.
Aber irgendwie findet man dann doch immer eine Beschäftigung, sodass es nie wirklich langweilig wird.
Holtzhelm-Reporterin:
Wir sitzen irgendwie doch alle im selben Boot, aber das wird schon wieder alles gut werden.
Das war jetzt auch meine letzte Frage, vielen Dank für das Interview!
Freundin aus Kalifornien:
Kein Problem, sehr gerne!
Text: Johanna Gehlen