Interview zum Brexit

Am 01.01.2021 ist Großbritannien endgültig aus der EU ausgetreten und musste keine Beiträge mehr zahlen. Der ganze Prozess des Brexits hat sich über fast sechs Jahre hingezogen. Die Idee wurde erstmals am 23.01.2013 vorgestellt, 2015 wurde der Prozess in Gang gesetzt. Während dieser Phase wurde zweimal der Premierminister gewechselt. Es gab viele Probleme mit dieser Idee, aber am 31.01.2020 hat Großbritannien die EU verlassen. Dann, am 24.12.2020, wurde ein Handelsabkommen beschlossen. Am 01.01.2021 war der Prozess beendet. In diesem Interview habe ich eine Britin, welche anonym bleiben wollte, zum Brexit befragt.

Haben Sie, als die Idee vom Brexit veröffentlicht wurde, jemals gedacht, dass dieser wirklich umgesetzt werden würde und dass es so lange dauern würde ihn umzusetzen?

Ich hatte nach der ersten Wahl zum Brexit schon gedacht, dass er durchgesetzt werden würde, ich hatte mir aber nie vorgestellt, dass es so lange dauern würde. Die Idee zum Brexit gab es ja schon 2015. Man konnte in ihr keine Notwendigkeit sehen, allerdings sollte er trotzdem durchgesetzt werden. Durch die knappe Mehrheit hat dann alles richtig angefangen. Ich glaube es hat sich so hingezogen, weil das System sehr instabil war. Das hat man daran gesehen, dass währenddessen oft der Premierminister gewechselt wurde. Man konnte als Bürger auch nicht wirklich etwas dagegen tun, außer zuzusehen. Vielen ist außerdem noch gar nicht bewusst, was es heißt aus der EU draußen zu sein.

Hat sich durch den Brexit etwas in Ihrem Alltagsleben oder in dem von Bekannten stark verändert?

Ja, absolut. Ich bin ja persönlich betroffen, weil ich eingewandert bin. Ich musste mir die Staatsbürgerschaft zulegen. Das war ein sehr langer Prozess. Da ich schon lange hier lebe, hatte ich es natürlich besser als manche andere, aber es war trotzdem ein großer Aufwand. Man musste alles Mögliche nachweisen, zum Beispiel wie lange man schon in Großbritannien lebt, wann und wie lang man das Land verlassen hat, etc. Das hat mich ungefähr 3000 Pfund gekostet. Andere Leute hatten es noch schlechter. Manche, die noch nicht lange in Großbritannien leben, konnten sich nicht die Staatsbürgerschaft zulegen und mussten sich einen Bescheid beantragen. Den zu bekommen ist nochmal aufwendiger. Es gab auch Fälle, in denen Briten, die Verwandte im Ausland haben, nach 35-40 Jahren das Land verlassen haben, um sich um ihre Verwandten zu kümmern, da man durch den Brexit keine richtige Bewegungsfreiheit mehr hat und Visa für 90 Tage beantragen müssen, um in andere Länder zu reisen. Außerdem gehen durch den Brexit viele Unternehmen kaputt, da ihre ganze Ware an der Grenze abgefangen wird. Die muss gelagert werden und das kostet viel Geld. Fischer und Fleischer haben es besonders schwer, denn wenn ihre Ware an der Grenze abgefangen wird, kommt sie nicht mehr frisch in anderen Ländern an, weswegen sie dort nicht mehr so häufig gekauft wird. Auch in Großbritannien kann man immer weniger frisches Essen kaufen, weil die meisten Speditionen nicht mehr nach Großbritannien liefern, um an der Grenze nicht warten zu müssen. Nordirland ist davon am stärksten betroffen. Dort sind die Supermarktregale teils ganz leer. Den meisten Leuten ist noch gar nicht wirklich bewusst, dass das alles mit dem Brexit zusammenhängt.

Wie sieht es mit dem Berufsleben aus? Hat sich dort etwas verändert?

Durch meine Staatsbürgerschaft hat sich in meinem Beruf nicht wirklich etwas verändert. Allerdings musste alles, was ich in meinem letzten Beruf gemacht habe, nachgewiesen werden, zum Beispiel ob ich Vollzeit oder Teilzeit gearbeitet habe, ob ich im Ausland gearbeitet habe, etc.

 Stimmt es, dass sich wegen des Brexits viele Freunde und Familien zerstritten haben?

 Das stimmt auf jeden Fall. In meinem Familienkreis gab es so etwas zum Glück nicht, aber über Social Media hat man viel mitbekommen. Auffällig oft hat dabei die ältere Generation den Brexit unterstützt. An Weihnachten gab es besonders viel Streit. Wahrscheinlich hauptsächlich, weil dort die ganze Familie zusammenkommt. Dabei ging es nicht nur um Weihnachten während Corona, sondern auch schon um die Jahre davor.

 Wenn man sich im Alltag unterhält, geht es dann eher um den Brexit, um Corona oder um ein anderes Thema?

Das ist eine schwierige Frage. Wenn man sich nicht mit der Familie unterhält, wird eigentlich über beides nicht besonders viel geredet. Wenn es zum Brexit kommt, wollen die Leute nichts mehr davon hören. So ähnlich ist es mit Corona. Beide Themen werden eher vermieden, da es dort sehr oft Meinungsverschiedenheiten gibt, welche dann zu Streit führen. Es ist ja eine sehr schlimme Zeit gerade und die Leute wollen sich eher über Positives unterhalten.

Was glauben Sie, kommt nach dem Brexit noch?

Großbritannien wird auf jeden Fall nicht mehr das sein, was es einmal war. Das Land fällt langsam auseinander. Schottland möchte unabhängig werden und sich dann wieder der EU anschließen, Nordirland möchte ein Teil von Irland werden und Gibraltar ist schon aus Großbritannien ausgetreten und gehört jetzt zu den Staaten des Schengener Abkommen. Bei Wales ist es nicht sicher, da England und Wales die Teile von Großbritannien waren, die überwiegen für den Brexit gestimmt haben.

Ein Interview von Mia Janda

Bild: https://pixabay.com/de/images/search/flagge%20england/